
Aus meiner Kindheit kenne ich Wandern immer in Verbindung mit früh aufstehen. Vor Sonnenaufgang los, um vor der heißen Mittagssonne das Ziel erreicht zu haben. Oder, im besten Fall, direkt schon wieder beim Abstieg zu sein. Macht ja auch Sinn, denn in der glühenden Mittagssonne auf dem Berg zu wandern ist kein Vergnügen, da sollte man die Füße lieber in das kalte und erfrischende Nass des Sees stecken.
Aber was, wenn man den Spieß mal umdreht und erst nach der Mittagshitze los geht? Wandern nach Feierabend. In den Sonnenuntergang und/oder die Dunkelheit der Nacht hinein. Spannend! Das haben wir in den letzten Wochen das ein oder andere Mal ausgetestet, meist verbunden mit einem abendlichen Picknick am Berg.
Ich bin begeistert und fasziniert zugleich. Die Stimmung ist eine andere. Alles kommt zur Ruhe, wenn sich der Tag dem Ende zu neigt. Die Dämmerung setzt ein. Die Tiere kommen aus den kühlen Wäldern in denen sie sich vor der Wärme und den Wanderern versteckt haben. Man hat das Gefühl die Zeit geht langsamer.
In meinem heutigen Artikel will ich euch von unseren vier After-Work-Wanderungen berichten, die wir unternommen haben und was daran besonders war und den Reiz für mich ausgemacht hat.
1. Alpe d’Era / Mandello del Lario
Die auf 850m gelegene Alpe d‘Era ist eine der vielen Alpen, die im Sommer von den Eigentümern der kleinen Rusticos bewohnt sind, die dort ihre Sommerferien verbringen. Früher als Sommeralpe hauptsächlich von den Bauern Somanas (eine Fraktion Mandellos) bewirtschaftet, nutzen es im zweiten Weltkrieg Partisanen als Versteck.
Einst, zu besseren Zeiten, gab es dort sogar ein kleines Hotel, mittlerweile ist es aber leider geschlossen. Die Alpe, die auf direktem Weg zum Grigna-Massiv liegt, bietet die Möglichkeit der Frischwasserversorgung.
Wir haben eines Abends im Juli beschlossen, nach getaner Arbeit nochmal die Wanderschuhe anzuziehen und den Picknickkorb zu packen, um dort Freunde zu besuchen und mit ihnen den frühen Abend zu verbringen.
Die Wanderung nach Era ist nicht wirklich herausfordernd und gut machbar. Eine gewisse Kondition und festes Schuhwerk sind, und sollten eigentlich immer, Grundvoraussetzung sein, wenn man in den Bergen unterwegs ist.
Gestartet sind wir in Somana. Wir durchquerten den Ort und gingen dann Richtung Chiesa Santa Maria, entlang des Kreuzwegs und vorbei an der kleinen Kapelle Santa Preda. Bis wir nach ca. 1.20h unser Ziel erreichten.
Es war schon fast dunkel, als wir, nach einem ausgiebigen Abendbrotzeit, den Rückweg antraten. Ausgestatten mit Stirnlampen und Handylicht ging der Abstieg, abgesehen von der Begegnung mit der Riesenspinne deren Körper im Licht reflektierte, brrrrrrr ich ekle mich jetzt noch, super gut. Auch Polly stapfte tapfer hinterher.
Sie entwickelt sich eh mehr und mehr zur Bergziege. Ist sie sonst immer schwer zu motivieren, gehen wir auf den Berg ist sie immer vorne mit dabei.
Infobox: Ausgangspunkt: Parkplatz Via del Aqua Bianca, Somana / Mandello Strecke einfach: ca. 4km Höhenmeter: 509m Zeit einfach: ca. 1,5h Wegstrecke: mittlerer Schwierigkeitsgrad |









Anmerkung: Ein Teil der Fotos aus Alpe d‘Era ist bereits bei unserem Besuch im Frühjahr entstanden.
2. Manavello / Mandello del Lario
Manavello, ich schwitze immer noch wenn ich daran denke. Der Feierabendberg der Mandellesi (so bezeichnet man die Bewohner Mandellos), hat mir einiges abgefordert. Distanz: 2,6 km, Höhenmeter: 759 Höhenmeter. Mehr braucht man, denke ich, nicht zu sagen! Von wegen eben mal hoch spaziert. Noch im kleinen Ortsteil Rongio geht es bereits steil bergan und das ändert sich auch nicht, bis man den Gipfel erreicht.
Hab‘ ich unterwegs geflucht und gestöhnt, aber oben angekommen entschädigt der Ausblick natürlich für alle vorherigen Kämpfe und Auseinandersetzungen mit dem inneren Schweinehund.
Bei solch einem Anstieg macht man natürlich schnell Höhenmeter und so wurden de Ausblicke in alle Richtungen auch immer spektakulärer. Die Kirche Santa Maria, die wir von unserer Wanderung zur Alpe d’Era kennen, lag schon weit unter uns und hinten im Tal war Era auch bereits zu erkennen.
Nach etwa 1h haben wir die Baita di Manavello erreicht. Eine kleine Schutzhütte, verschlossen, allerdings mit Picknickmöglichkeiten außerhalb. Wir hatten noch etwa 10 min bis zum Gipfel. Plötzlich wurden die Hunde unruhig und schnell war klar warum. In einiger Entfernung entdeckten wir eine Gämse, die wir vermutlich beim aufsuchen ihres Schlafplatzes aus dem Konzept gebracht haben. Neugierig beobachtete sie uns, als wir in respektvoller Entfernung an ihr vorbeimarschierten, das Ziel vor Augen, das wir dann schließlich nach 1,5h erreichten.
Wie immer haben mich der Ausblick und die Begegnung mit der Gämse schnell die Anstrengung vergessen lassen und ich habe es keine Sekunde bereut auch wenn die Beine beim Abstieg ganz schön gezittert haben. Danach waren alle gleichermaßen geschafft, Zwei- und Vierbeiner!
Infobox: Ausgangspunkt: Piazza San Antonio, Rongio / Mandello Strecke einfach: ca. 2,6 km Höhenmeter: 759m Zeit einfach: ca. 1,5h Wegstrecke: anspruchsvolle Strecke |






3. Monte Barro / Galbiate
Ein alter Bekannter: der Monte Barro. Der kleine Berg, der wie ein Kegel, am Ende des Comer See alleine für sich steht ist wirklich ein Abendspaziergang. Man kann bis ziemlich weit durch den Parco Monte Barro nach oben fahren und hat dann nur noch eine kurze Wegstrecke zum Gipfel vor sich. Aber auch die ist nicht zu unterschätzen. Wir haben gut geschwitzt bei den sommerlichen Temperaturen und der an dem Tag ungewöhnlich hohen Luftfeuchtigkeit.
Kleiner Berg ganz groß, denn vom Gipfel bietet sich ein spektakulärer 360° Blick auf die umliegenden Bergmassive der Grigna, Grignetta, den Resegone und die Corni die Canzo. Die 5 Seen, die den Monte Barro umgeben: Lago di Anone, Lago Pusiano, Lago Alsério, Lago di Garlate und der Comer See. Zu Füßen liegen die Orte: Valmadera, Oggiono und Carlolziocorte, sowie die -ate Orte: Malgrate, Garlate, Pescate, Civate und Olgiate. Nicht zu vergessen die Provinzstadt Lecco.
Auf dem Rückweg haben wir es uns dann zum Picknick niedergelassen und uns über die mitgebrachten Schätze unseres Picknickrucksackes her gemacht. Erst lange nach Anbruch der Dunkelheit haben wir wieder den Parkplatz erreicht.
Infobox: Ausgangspunkt: Eremo di Monte Barro, Via Balassi 1, 23851 Galbiate Strecke einfach: ca. 1km Höhenmeter: 207m Zeit einfach: ca. 30min. Wegstrecke: nicht anspruchsvoll aber mit teils felsigen Abschnitten und höheren Absätzen |





4. Rifugio Begnini / Val Gerola
Im Val Gerola, über das ich in einem meiner folgenden Artikel noch etwas ausführlicher berichten werde, haben wir eine wunderschöne Wanderung zu der auf 2.222m hoch liegenden Rifugio Begnini unternommen. Moment? Das am Nachmittag? Ja tatsächlich. Wir sind die 2.222 Höhenmeter nicht komplett gelaufen, sondern sind zum Ende der Betriebszeiten noch fix in den Sessellift gesprungen und haben uns bequem auf 1.800m hochschaukeln lassen und daher gut machbar.
Zugegebenermaßen musste ich erstmal kurz schlucken als ich den Sessellift gesehen habe, bin ich von einer Seilbahn ausgegangen und wir hatten ja die beiden Hunde dabei. Kurzerhand hat sich jeder einen geschnappt und auf den Schoß gesetzt und so ging es hinauf in luftige Höhen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die beiden so ruhig bleiben, aber sie haben sich während der ganzen Fahrt nicht gerührt. Ob es eine Schockstarre war? Wenn, dann war sie auf jeden Fall in dem Moment vergessen, als wir oben auf den herrlich saftigen Almwiesen der Bergstation ankamen.
Leider gibt es von uns vieren im Sessellift-Trip keine Fotos. Es war uns dann doch sicherer die Hunde festzuhalten und uns auf sie zu konzentrieren.

Diesmal waren wir eine größere, bunt gemischte Truppe aus Italien, Österreich und Deutschland. Angeführt von unserem Freund Philippo, der aus der Gegend kommt, und sich bestens auskennt.
Wir starten an der Bergstation und queren die große Almwiese, auf der sich im Winter die Skifahrer des kleinen Skigebietes Pescegallo vergnügen in Richtung Bergkamm und von dort folgen wir dem ausgeschilderten Weg Richtung Rifugio.
Die Steinbockherde
Anfänglich ein bequem begehbarer Weg ändert sich dies, als wir eine Passage überwinden müssen, die vermutlich durch den Abgang eine Mure einst entstanden ist. Hier ist Vorsicht geboten. Das Gelände unwegsam. Unsere Hunde? Die sind dort ohne Zögern hochgeklettert als ob es kein Morgen gäbe.
Oben angekommen waren wir zwar noch nicht an der Hütte, dennoch erwartete uns eine mega Überraschung. Wir befanden uns in unmittelbarer Nähe zu einer Herde weiblicher Steinböcke, die die vorabendliche Ruhe nutzte, um sich auf den saftigen Almwiesen nochmals den Bauch vor der kühlen Nacht in den Bergen zu füllen.
Ich war überwältigt. Konnte mich kaum losreisen von den anmutigen Tieren, die leichtfüßig über Felsvorsprünge und Klippen sprangen. Und, nachdem unsere Hunde schon einiges voraus waren, auch ganz neugierig und interessiert schienen. Nach unzähligen Fotos ging ich der Gruppe hinterher, die zwischenzeitlich bereits die Hütte erreicht hatte. Eine kurze Erfrischung und dann nochmal kurz der Weg zur Bergkuppe, um das Bergpanorama zu bewundern, dass sich dort oben vor einem ausbreitet und dann mussten wir zurück. Der Wetterumschwung, der sich bereits am Horizont ankündigte, hat uns eingeholt und hüllte das Plateau in Nebelschwaden. Zeit, für den Abstieg. Wir hatten ja noch einiges an Strecke vor uns. Der Lift fuhr ja so spät nicht mehr.

Auf dem Rückweg trafen wir nochmals auf die Steinbock Herde, die immer noch friedlich auf der Wiese graste. Unterhalb der Schlucht, entdeckten wir letztendlich noch 2 männliche Steinböcke, die dort unseren Weg kreuzten.Die Wanderung war nicht anstrengend. Dennoch musste ich nicht lange überlegen, als Philippo anbot, uns mit dem Jeep der Seilbahn von der Bergstation an mit nach unten zu nehmen. Was für ein Abenteuer, und was für ein beeindruckender Nachmittag!
Absolut empfehlenswert auch zu den regulären Betriebszeiten der Seilbahn 😉
Infobox: Ausgangspunkt: Talstation des Sesselliftes Pescegallo, Via Pescegallo, 23010 Gerola Alta Strecke einfach: ca. 2,6km Höhenmeter: ca. 420m Zeit einfach: ca. 1h Wegstrecke: Mit teils felsigen Abschnitten und höheren Absätzen, die eine entsprechende Trittsicherheit voraussetzt |










[…] möchte ich hier nochmal auf unsere After-Work-Wanderung zur Rifugio Begnini verweisen, die ich in meinem letzten Artikel schon erwähnt habe. Die Aussicht über die […]
Liebe Andrea,
danke Dir für deine schönen Tipps. Mach weiter so, denn viele Gäste hier am Comersee sind dankbar für deine tollen Beiträge. Alles Liebe Antje
Ganz herzlichen Dank liebe Antje für deine Worte. Motivationsboost ❤️❤️❤️